Verpackungsverordnung: Wellpappen-Industrie warnt vor negativen Folgen
Der Entwurf der europäischen Verpackungsverordnung sieht Mehrwegquoten für Verpackungen von Haushaltsgeräten und für den Versandhandel vor. Die Vorgaben für den Einsatz von Mehrwegverpackungen hätten aber erhebliche negative Effekte. Zu dieser Bewertung gelangt eine neue Studie des VDW e. V.
„Elf Prozent mehr Kunststoffverbrauch, 200 Prozent mehr Transportkilometer, 80 Prozent mehr Lagerfläche und um bis zu 400 Prozent höhere Kosten für Packmittel. Unter anderem diese Folgen drohen im Jahr 2040, wenn die Verpackungsverordnung in der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Form verabschiedet wird“, warnt Dr. Steffen P. Würth, Vorsitzender des Verbandes der Wellpappen-Industrie e.V. (VDW) unter Berufung auf die von der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) erstellten Studie.
Die Analyse beleuchtet anhand von Basisdaten aus dem Jahr 2021, wie sich die im Verordnungsentwurf vorgesehenen Mehrwegquoten für Transport- und Versandhandelsverpackungen auf den deutschen Markt auswirken würden. „Wir sehen hier klare Widersprüche zu den Nachhaltigkeitszielen, die die Europäische Kommission nach eigenem Bekunden anstrebt – und das längst nicht nur beim erhöhten Transportaufkommen von insgesamt 400 Millionen Kilometern, was circa 10.000 Erdumrundungen entspricht“, so der VDW-Vorsitzende weiter.
Wellpappe wird aus nachwachsenden Ressourcen hergestellt
Die prognostizierte Erhöhung des Kunststoffeinsatzes um elf Prozent bewertet Würth mit Blick auf Rohstoffbasis und Recyclingquoten als bedenklich: „Die überwiegende Mehrheit der Kunststoffe wird weiterhin aus fossilen Rohstoffen hergestellt – anders als Wellpappe, die auf pflanzlichen und somit nachwachsenden Ressourcen basiert.“ Die faserbasierten Packstoffe Papier, Pappe und Karton zeichneten sich zudem durch eine hohen Recyclingquote aus, die sich in den vergangenen Jahren bei rund 80 Prozent bewegt habe. „Beim Recyclinganteil in der fertigen Verpackung können die VDW-Mitglieder im Durchschnitt bereits mehr als 80 Prozent vorweisen“, erläutert der VDW-Vorsitzende.
Laut GVM-Studie sei damit zu rechnen, dass durch die Quotenvorgabe der Einsatz von Primärmaterial für Transportverpackungen bis 2040 sogar um ein Prozent ansteigen würde, statt einen Rückgang zu erzielen. Allein für den Aufbau der Mehrwegsysteme habe die GVM im ersten Jahr einen notwendigen Zukauf von 285 Kilotonnen Mehrwegverpackungen veranschlagt – eine Menge, die die zeitgleich eingesparte Wellpappe um 146 Kilotonnen übertreffen würde. „Das Ziel einer Minimierung von Verpackungsmaterial, für das sich auch die Wellpappenindustrie mit der Entwicklung immer effizienterer Lösungen täglich einsetzt, dürfte also durch die rigiden Vorgaben verfehlt werden“, folgert Würth.
Verpackungsverordnung: Quotierungen mit geringem Nutzen
Insgesamt attestiert die GVM den von der EU-Kommission angestrebten Quotierungen bei Transport- und Versandhandelsverpackungen einen nur geringen Nutzen bei vergleichsweise hohen Kosten. Pauschale Vorgaben seien hier nicht zielführend, so das Fazit der Analyse. Als Begründung führt die GVM unter anderem die große Variantenvielfalt bei den derzeit genutzten Transport- und E-Commerce-Verpackungen an. Diese in Mehrwegverpackungen darzustellen, sei weder ökonomisch und noch ökologisch sinnvoll. „Wellpappe kann als flexibles Material ihre Stärken voll ausspielen, wenn es um leicht anpassbare oder sogar maßgeschneiderte Verpackungen geht“, so Würth.
Dies sei mit Blick auf eine möglichst effiziente Logistik und die weitere Senkung von Emissionen ein entscheidender Faktor. „Mehrwegsysteme hingegen lassen mit ihrer notwendigen Beschränkung auf wenige Standardformate eher eine Zunahme des Leerraums in den Lieferketten befürchten – ein weiterer Punkt, der den Zielen des EU-Entwurfes einer Verpackungsverordnung widerspricht.“
Verpackungsverordnung führt zwei Transportverpackungen
Nahezu absurde Folgen könnte die Mehrwegquote laut GVM-Analyse zudem bei Importen aus Nicht-EU-Staaten haben. „Es ist durchaus möglich, dass Haushaltsgroßgeräte an der EU-Grenze dann künftig millionenfach in Mehrwegbehälter umgepackt werden müssten. In diesen Fällen würden also pro Produkt zwei Transportverpackungen genutzt – das ist eindeutig das Gegenteil von Effizienz und Umweltschutz“, erklärt Würth. Die Wellpappenindustrie appelliere somit aus guten Gründen weiter eindringlich an die Politik, von pauschalen Mehrwegquoten für E-Commerce und Transportverpackungen abzusehen.
Verdoppelung des Kunststoffeinsatzes
Auch Smurfit Kappa ist überzeugt, dass die geplante Verpackungsverordnung mit ihren Wiederverwendungszielen für Transportverpackungen den Einsatz von Plastik begünstigen und wiederverwertbare Materialien wie Wellpapp- und Kartonverpackungen benachteiligen. Saverio Mayer, CEO von Smurfit Kappa Europe, erklärt hierzu: „Die Art und Weise, in der die Wiederverwendung von Verpackungen geplant ist, würde dazu führen, dass sich die Menge an unnötigem Plastik bis 2040 verdoppeln wird, anstatt deutlich reduziert zu werden.“
Um das Mehrwegziel für Transportverpackungen zu erreichen, müsste beispielsweise die schier unglaubliche Menge von 8,1 Milliarden zusätzlichen Kunststoffkisten hergestellt werden (unter der Annahme von zehn Wiederverwendungen pro Jahr). „Wir unterstützen die ehrgeizigen Ziele der EU- Verpackungsverordnung. Allerdings ist der Kommissionsvorschlag durch die Benachteiligung der papierbasierten, wiederverwertbaren Verpackungen kontraproduktiv“, betont Saverio Mayer.
Wellpappe – ein Produkt mit hohen Recyclingraten
Verpackungen aus Wellpappe eignen sich sehr gut für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, da sie in großem Umfang gesammelt und recycelt werden. Dies belegen hohe Recyclingquoten: Die Recyclingrate für Karton liegt bei über 90 Prozent, Wellpappe weist eine Recyclingrate von 89 Prozent auf. Saverio Mayer sagt: „Produkte auf Papierbasis sind vollständig erneuerbar, recycelbar und biologisch abbaubar. Hinzukommt, dass Europa die höchste Recyclingquote weltweit hat.“
Die umweltfreundliche Bilanz von Pappe belegt auch eine umfangreiche Studie im Auftrag der European Federation of Corrugated Board Manufacturers (FEFCO). Die Studie zeigt, dass Verpackungen aus Wellpappe in zehn von 15 Kategorien der Umweltauswirkungen, einschließlich des CO2-Fußabdrucks, besser abschneiden als wiederverwendbare Kunststoffkisten.
(Bilder: Smurfit Kappa)
Folgen für die Umwelt durch Bevorzugung von Plastik
Die geplante Verpackungsverordnung der EU birgt hingegen die Gefahr, dass sie zu einer Zunahme von Kunststoffverpackungen und damit von Kunststoffabfällen und Umweltverschmutzung führen. Dies hätte katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt – und steht in völligem Widerspruch zu den Zielen des europäischen Green Deal, des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft und den laufenden Verhandlungen über ein internationales Kunststoffabkommen.
Die Änderungsvorschläge stehen auch in Widerspruch zu dem, was Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede auf der Beyond Growth Conference im Europäischen Parlament sagte: „Ein Wachstumsmodell, das sich auf fossile Brennstoffe konzentriert, ist einfach überholt.“ Im Falle von Transportverpackungen werden wiederverwendbare Kunststoffe nicht nur den Energie- und Wasserverbrauch, sondern auch das Transportaufkommen erhöhen. Die Wiederverwendung von Transportverpackungen wird zu einem massiven Anstieg des Logistikaufwands führen, der die europäischen Straßen überlastet.
Verpackungsverordnung bringt nachhaltige Industrie in Gefahr
Die Vorschriften sind außerdem eine Gefahr für die nachhaltige Papier- und Wellpappenindustrie. Sie könnten schwerwiegende Folgen für lokale Gemeinden und Lieferketten haben: Die Industrie ist schließlich lokaler Produzent und Arbeitgeber mit über 660 Werken in ganz Europa. 100.000 Menschen sind hier direkt beschäftigt, weitere 270.000 Arbeitsplätze werden indirekt geschaffen.
Verpackungen aus Wellpappe sind ein wertvoller Partner in der B2B-Lieferkette. Die meisten Lebensmittel und Getränke, die für den Verbraucher im Einzelhandel erhältlich sind, werden heute zuverlässig durch papierbasierte Verpackungen geschützt. Beschädigte Waren belasten den Planeten durch die Verschwendung von Lebensmitteln, Kraftstoff und anderen Ressourcen.
Wiederverwendung und Recycling müssen sich ergänzen
Der einseitige Ansatz zur Wiederverwendung ist kein Allheilmittel für das Verpackungsproblem. Wellpappe ist aufgrund ihrer Eigenschaften das am häufigsten recycelte Material, was gleichzeitig bedeutet, dass eine Wiederverwendung für die meisten Anwendungen keine realistische Option ist. Der einzige glaubwürdige Weg nach vorne für Europa ist, dass Wiederverwendung und Recycling gleichberechtigt nebeneinander existieren.
Boris Maschmann, CEO von Smurfit Kappa DACH, erklärt: „Während die Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen weitergehen, wäre zu erwarten, dass die politischen Ambitionen der EU und der Mitgliedstaaten die wirtschaftliche Realität der Verpackungslieferkette berücksichtigen und sich auf eine Verordnungsverordnung einigen, die gut für die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen ist.“ (sg)
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