30.11.2012 – Kategorie: Fertigung, IT, Marketing, Recht, eCommerce

Verunsicherung in der Online Branche – Aktuelles Urteil zum Double Opt-In-Verfahren

Das kürzlich veröffentlichte Urteil des Oberlandesgerichts München zum Double Opt-In-Verfahren im E-Mail-Marketing (OLG München vom 29.9.2012, Az. 29 U 1682/12) verunsichert die gesamte Online-Branche. Dieses stellt die erst kürzlich getroffene Entscheidung des Bundesgerichtshofes, welches das Double Opt-In-Verfahren ausdrücklich als zulässig erklärte in Frage.


Marc Brauer, Rechtsanwalt der Kanzlei Schollmeyer & Rickert schafft in einer ausführlichen Analyse Klarheit und gibt Entwarnung.


Aktuell überschlagen sich die Pressemitteilungen und proklamieren das Ende des Double Opt-In Verfahrens, obwohl dieses doch erst kürzlich vom Bundesgerichtshof abgesegnet worden war. Auch die weit überwiegende Anzahl der unterinstanzlichen Gerichte (die Amts-, Land- und Oberlandesgerichte der einzelnen Bundesländer) hatten ihren Frieden mit diesem Verfahren geschlossen, mit dem wirksame Einwilligungen in den Versand von elektronischer Werbung generiert werden konnten. 


Genügt nun wirklich ein Urteil aus München, um diese Annahme zu kippen? Diese Frage kann nur über eine genaue Auseinandersetzung mit dem Urteil beantwortet werden.


Der Sachverhalt


Gegenstand des Verfahrens war die gewöhnliche Anmeldung zu einem Newsletter.  Die Beklagte sandte der Klägerin eine Check-Mail (das OLG spricht hier von der „Bestätigungsmail“) zu, die einen Link zur Bestätigung der Anmeldung erhielt. Einen Tag später erhielt die Klägerin eine Bestätigungsmail, mit der ihre Anmeldung zum Newsletter der Beklagten bestätigt wurde. Weitere Einzelheiten zum Sachverhalt werden vom Gericht nicht mitgeteilt. 


Das Gericht führt aus: „Für die Einwilligung trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH GRUR 2004, 517 [519]  – E-Mail-Werbung I; BGH GRUR 2011, 936  – Double-opt-in-Verfahren Tz. 30). Für den Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert. Im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung setzt das deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit voraus, sie auszudrucken. Die Speicherung ist dem Werbenden ohne Weiteres möglich und zumutbar. Verfahren, bei denen unklar ist, ob eine Einverständniserklärung tatsächlich von dem angerufenen Verbraucher stammt, sind für den erforderlichen Nachweis ungeeignet. 


Demgegenüber hat die Beklagte eine ausdrückliche Einwilligung der Klägerin gerade nicht vorgelegt, sondern lediglich behauptet, dass sich die Klägerin auf der Internetseite der Beklagten unter Angabe ihrer E-Mail-Adresse für das Newsletter-Abonnement angemeldet habe.“


Und weiter: „Nach diesen Grundsätzen fällt auch eine E-Mail, mit der zur Bestätigung einer Bestellung im Double-opt-in-Verfahren aufgefordert wird, als Werbung unter das Verbot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (wie hier Möller, WRP 2010, 321 (328); Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage 2011, § 7 Rn. 189; a.A. ohne nähere Begründung nunmehr Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 7 Rn. 189). Die Einbeziehung von Aufforderungen zur Bestätigung einer Bestellung steht im Einklang mit einem am Ziel der Absatzförderung orientierten Verständnis des Begriffs der Werbung.“


Exkurs Double Opt-In


Bevor dargestellt wird, aus welchen Gründen die Aussagen des Urteils unzutreffend sind, ist eine kurze Darstellung des Double Opt-In Verfahrens als rechtliche Einwilligungserklärung notwendig. Über § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist klargestellt, dass E-Mail Werbung nur nach „ausdrücklicher Einwilligung“ erlaubt ist. Formelle Voraussetzungen zur Einholung einer Einwilligungserklärung hingegen sind im Telemedien- und im Bundesdatenschutzgesetz enthalten.


Das Double Opt-In Verfahren ist also die besondere Ausprägung einer Einwilligungserklärung, die der Erhebung, Speicherung und der Nutzung einer E-Mail Adresse dient. Eine danach wirksame Einwilligungserklärung erfordert die nachfolgenden Handlungen:


-Teil 1 der Einwilligung – Erhebung der E-Mail Adresse: Ausdrückliche und informierte Anmeldung zum Newsletter, bei welcher der Empfänger über Art der Informationen sowie über die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs informiert wird.


-Teil 2 der Einwilligung – Versand der Check-Mail: Die Check-Mail ist absolut neutral zu gestalten (keine Werbung). Sie sollte nochmals die datenschutzrechtlichen Informationen aus Teil 1 sowie ein vollständiges Impressum des Anbieters enthalten. Selbstverständlich enthält die Check-Mail auch den Link, welche die Anmeldung zum Newsletter bestätigt.


– Teil 3 der Einwilligung – Versand der Bestätigung: Die Mail bestätigt die Anmeldung zum Newsletter mit der angegebenen E-Mail Adresse. Weiterhin enthält sie erneut die Widerrufsmöglichkeit und ein Impressum. Werbliche Inhalte sind auch hier nicht empfohlen.


-Der gesamte Vorgang ist zu protokollieren. Also: Zeitpunkt der Anmeldung auf Ihrer Webseite („Timestamp“) nebst E-Mail Adresse und IP-Adresse.


Den Nachweis dieser Tatsachen verlangten die Gerichte bislang ohnehin. Hier ergibt sich aus dem Urteil des OLG München also nichts „neues“. Weiterhin soll an dieser Stelle daran erinnert werden, dass der BGH in seinem Urteil vom 10.02.2011 – Az. I ZR 164/09 – ausdrücklich entschieden hat, dass:  „[wenn] ein Teilnahmeantrag elektronisch ein [geht], so kann dessen Absender durch eine E-Mail um Bestätigung seines Teilnahmewunsches gebeten werden. Nach Eingang der erbetenen Bestätigung kann angenommen werden, dass der Antrag tatsächlich von der angegebenen E-Mail-Adresse stammt. Hat der Verbraucher durch Setzen eines Häkchens  in dem Teilnahmeformular  bestätigt, dass er mit der Übersendung von Werbung einverstanden ist, ist grundsätzlich hinreichend dokumentiert, dass er in E-Mail-Werbung an diese E-Mail-Adresse ausdrücklich eingewilligt hat (vgl. LG Berlin, K & R 2007, 430, 431; LG Essen, GRUR 2009, 353, 354 mit zustimmender Anmerkung  Klinger; LG München I, K & R 2009, 824). Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Werbende mit einem solchen Verfahren ausreichend sichergestellt, dass es nicht aufgrund von Falscheingaben zu einer Versendung von E-Mail-Werbung kommt (vgl. BGH, GRUR 2004, 517, 519 – E-Mail-Werbung I).“


Analyse des Urteils 


Das OLG München hat folglich rechtsirrig verkannt, dass das Double Opt-In ein einheitliches Einwilligungsverfahren ist, welches – aus der Natur der Sache heraus – aus mehreren Akten besteht. Als Teil einer noch nicht vollständigen Einwilligung kann die Check-Mail grundsätzlich nicht als rechtswidrig beurteilt werden, denn diese E-Mail ist zwingender Bestandteil des Prozesses „Double Opt-In“. 


Eine Einwilligung für die Check-Mail zu verlangen, die selber Teil eines noch nicht abgeschlossenen „Einwilligungsprozesses“ ist, darf vorsichtig als „lebensfremd“ bezeichnet werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits die Check-Mail tatsächlich werbliche Inhalte enthält. Dies war in der vorliegenden Entscheidung aber nicht der Fall. Und anhand der Ausführungen des BGH kann durchaus angenommen werden, dass der BGH das Double Opt-In Verfahren mit all seinen Bestandteilen als rechtmäßig erachtet. 


Insofern der Beklagte in dem vorliegenden Fall aber offenbar keine Protokollierung seines Double Opt-In Verfahrens vorlegen konnte, ist das Urteil auf einer Linie mit der übrigen Rechtsprechung. Die Einwilligung des Empfängers muss vom Versender anhand der oben vorgestellten Grundsätze nachgewiesen werden. Kann dieser Nachweise nicht durch die Vorlage von Logs geführt werden, liegt keine Einwilligung vor. Aus § 7 UWG ergibt sich dann, dass die elektronische Werbung rechtswidrig war. An dieser Stelle ist das Urteil in der Tat zutreffend. Weshalb das Gericht aber ohne Not das gesamte Double Opt-In Verfahren ins Visier nimmt, bleibt unerklärlich. Der Unterlassungsanspruch bestand im Fall des OLG München aus dem einfachen Grund der fehlenden Nachweisbarkeit der Einwilligung. Der Unterlassungsanspruch bestand allerdings nicht, weil das gesamte Double Opt-In Verfahren rechtswidrig ist. Sollte das OLG München diese Ansicht tatsächlich vertreten, würde es sich gegen den Bundesgerichtshof stellen. 


Handlungsempfehlung 


 Das Urteil des OLG München ist in der Welt und es darf gehofft werden, dass die Beklagten die Revision zum Bundesgerichtshof einlegen werden. 


Aber auch wenn keine unmittelbare Klärung durch den BGH bevorsteht: Das OLG München ist eines von 24 Oberlandesgerichten in der Bundesrepublik und somit nicht in der Lage, eine bestimmte Rechtslage von heute auf morgen abzuschaffen. Gleichwohl muss befürchtet werden, dass dieses Urteil zu Abmahnzwecken missbraucht wird. Noch misslicher wird die Lage durch den sog. „fliegenden Gerichtsstand“ des § 32 ZPO: Kurz gesagt könnte theoretisch jeder Empfänger einer Check-Mail die Münchener Gerichtsbarkeit beanspruchen. Ob ein derartiger Exzess zu erwarten ist, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. Dagegen spricht in jedem Fall eine wichtige Tatsache: Für die meisten Unternehmer ist das E-Mail-Marketing ein unverzichtbares Instrument, so dass Abmahnungen von Unternehmern untereinander vielleicht etwas unwahrscheinlicher sind. Es werden eher streitlustige Verbraucher sein, die das Urteil als Anleitung zur Abmahnung verstehen. Und ob diese nun unbedingt einen Rechtsstreit in München „anzetteln“ möchten, der potentiell vor dem Bundesgerichtshof endet, darf vorsichtig optimistisch ebenfalls bezweifelt werden. 


Möchte man sich dieser Situation NICHT aussetzen, so bleibt wohl nur der – wenig praxisnahe – Rat, aktuell auf das Doube Opt-In Verfahren zu verzichten. In keinem Fall ist das sog. „Confirmed Opt-In“ Verfahren ein Ersatz. In dieser Variante erhält der Empfänger eine Bestätigungsmail und soll seiner Anmeldung zum Newsletterempfang widersprechen bzw. einen Link bestätigen, damit seine E-Mail Adresse wieder gelöscht wird  (z.B. AG Düsseldorf, Urteil  vom  14.07.2009 – 48 C 1911/09). Dieses Verfahren wird also bereits seit längerer Zeit als rechtswidrig erachtet.


Erörtert werden auch unhandliche Captcha-Lösungen, bei denen mittels OneTime-Captchas, welche nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums gültig sind, gearbeitet wird. Aber auch hier würde der Empfänger eine E-Mail erhalten, mit der er das Captcha lösen soll, um seine Anmeldung zu bestätigen. Nach der Ansicht des OLG München würde ja auch dies ohne Einwilligung des Empfängers geschehen. 


All diese Lösungsansätze setzen allerdings zwingend eines voraus: Das tatsächliche Ende des Double Opt-Ins. Gegen diese Endzeitstimmung sprechen der BGH, zahlreiche unterinstanzliche Urteile sowie die juristische Kommentarliteratur. Bei der Weiternutzung des Double Opt-In Verfahrens sollte nunmehr aber noch genauer darauf geachtet werden, dass sämtliche Prozesse sauber aufgesetzt und lückenlos protokolliert werden.


Wer den Prozess etwas beschleunigen möchte, darf sich gerne beim Bundesjustizministerium zum Empfang des Newsletters anmelden. Das Bundesministerium nutzt, wie alle anderen Bundesministerien und das Bundeskanzleramt auch, das Double Opt-In Verfahren. Eine Abmahnung in diese Richtung könnte zur Klärung der Sach- und Rechtslage konstruktiv beitragen. 


Quelle: www.promio.net


 


 


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