30.11.1999 – Kategorie: IT, Kommunikation, eCommerce
Vor der Wahl: Parteien von Twitter völlig überfordert
Die deutschen Parteien tun sich mit Twitter schwer. Eine strategische Nutzung der Plattform für den Wahlkampf ist nicht erkennbar, und wer präsent ist, erreicht nur äußerst bescheidene Follower-Zahlen. Auch sind die meisten Accounts Fälschungen. Der Nutzen für die Bürger ist damit nahe null.Das Internet sollte eigentlich ein entscheidender Faktor für den Ausgang der Bundestagswahl 2009 werden. Das Hype-Medium Twitter kann damit nicht gemeint sein, denn hier ist der Auftritt der deutschen Politik durchweg misslungen, wie eine von PR-COM erstellte Analyse zeigt:
Die Politik präsentiert sich bei Twitter unübersichtlich, unstrukturiert und chaotisch: Hier twittert eine Bundespartei, da ein Landesverband, dort eine Fraktion, mal sind es Ortsverbände, mal Kandidaten, dann wieder lediglich Sympathisanten – der eine verwendet dieses Logo, der andere jenes. Es gibt ganz offensichtlich keine Absprachen, und schon gar keine strategische Ausrichtung.
Zahlreiche Accounts erweisen sich als Fälschungen. Niemand hat sich die Mühe gemacht, bei Twitter einen „Verified Account“ zu sichern. Die Folge: Hinter den meisten Namen verbergen sich Spaß;- und Fake-Accounts – allein für Angela Merkel gibt es über ein Dutzend gefälschter Auftritte. Allein aus diesem Grund ist der Nutzwert für die Wähler gleich null.
Die Spitzenpolitiker sind bei Twitter so gut wie gar nicht präsent – ganz im Gegenteil zu Barack Obama, der über einen fälschungssicheren Twitter-Account einen Vorzeige-Wahlkampf geführt hat.
Die vorhandenen Twitter-Accounts sind nur selten über die offiziellen Web-Seiten der Parteien und Kandidaten aufrufbar. Lediglich SPD und CSU haben Twitter und soziale Netze wie Facebook oder Xing an prominenter Stelle in ihren Internet-Auftritt integriert.
Auf fast allen Seiten der Webauftritte fehlen die im Web längst üblichen Buttons für die Integration in Twitter, Bookmark-Services, Facebook usw. Man rechnet also gar nicht damit, dass die Besucher der Website das Parteiprogramm oder ein Statement des Spitzenkandidaten twittern oder bookmarken wollen.
Die Quittung für den insgesamt chaotischen Auftritt bei Twitter sind Follower-Zahlen, die in Anbetracht der Bedeutung des Anlasses mehr als bescheiden sind. So erreichen die anscheinend echten Twitter-Accounts der Parteien nur wenige tausend Follower. Für die Linke ist gar kein bundesweiter Account auffindbar. Barack Obama, der als Vorbild für den Einsatz von Social Media im Wahlkampf gilt, kommt demgegenüber auf mehr als zwei Millionen Follower. Dieser riesige Unterschied ist nicht mehr durch mehr Erfahrung im Umgang mit dem Web 2.0 oder durch größ;ere Web-Affinität der Amerikaner zu erklären. Hier offenbaren sich konzeptionelle Defizite beim Umgang mit Social Media.
Die Auftritte der deutschen Parteien und Spitzenpolitiker bei sozialen Netzwerken wie Facebook oder Xing bieten kein grundsätzlich anderes Bild. Zwar sind hier die Nutzer- beziehungsweise Teilnehmerzahlen etwas höher als bei Twitter, sie bleiben alles in allem jedoch sehr bescheiden.
Professor Dr. Romy Fröhlich vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München kommentiert die Twitter-Aktivitäten der Parteien so: „Ziel führend twittern – ohne dass es lächerlich und peinlich wird – kann man nicht zum Null-Tarif. Hierfür braucht es spezifische Expertise in einem strategisch und kontinuierlich auch über den Wahlkampf hinaus agierenden Mitarbeiter-Stab. Obama twittert schließ;lich auch nicht selbst. Wer, aus welchen Gründen auch immer, nicht bereit ist, in Social Media zu investieren und stattdessen nur mit Bordmitteln auf den Zug aufspringen will oder kann, der sollte es lieber ganz lassen. Der Schaden, den man dabei anrichtet, ist bedeutend größ;er, als wenn man eben mal eine Pressemitteilung versemmelt.“
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